– Wie wir den Tod sinnvoll in die Finanzplanung und Absicherung der Familie mit einbeziehen –
Liebe LeserInnen, ich freue mich heute wieder einen Gastartikel auf meinem Blog veröffentlichen zu können. Heute über ein wirklich interessantes und viel zu wenig beleuchtetes Thema – die finanzielle Absicherung der Familie über den Tod hinaus. Melanie van Luijn ist Rechtasanwältin im Erbrecht und kennt sich insofern super mit dieser Thematik aus. Viel Spaß bei der Lektüre.
Wir alle betreiben mehr oder weniger Vorsorge für uns und unsere Familien. Wir schließen Zusatzrentenverträge ab, um die Rentenlücke zu schließen, schließen Zahnzusatzversicherungen ab, um auch dort die Lücke zu schließen, machen Bausparverträge, für den Fall, dass das Dach oder die Heizung des Eigenheims einmal erneuert werden muss. Vielleicht investieren wir auch in Aktien, Fonds, ETFs oder Immobilien, um für das Alter vorzusorgen. Das alles ist gut und wichtig. Oft wird dabei jedoch ein Aspekt vergessen. Das liegt nicht daran, dass das Thema unbekannt ist, sondern vielmehr an seiner Unbeliebtheit. Genau, ich rede von der Vorsorge für den eigenen Tod. Kaum jemand mag sich gerne mit der eigenen Endlichkeit beschäftigen, dabei ist das einer der ganz wichtigen Bausteine, um seine Familie gut abzusichern. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich meine, dass jeder, der in einer langjährigen Partnerschaft lebt oder Kinder hat oder eine Immobilie besitzt, fahrlässig handelt, wenn er keine Vorsorge für den eigenen Tod trifft.
Im Folgenden möchte ich daher die drei Bausteine erklären, welche zur Regelung für den eigenen Tod unerlässlich sind, nämlich Testament, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
1. Testament
Bevor Du Dich daran machst, Dir Regelungen für Dein Testament zu überlegen, solltest Du die Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge kennen. Denn diese sind maßgeblich für zwei Überlegungen. Entweder, die gesetzliche Erbfolge bestimmt schon genau das, was Du auch in ein Testament schreiben würdest. Wunderbar, dann wäre der Punkt für Dich ganz schnell erledigt, denn dann brauchst Du schlicht und einfach kein Testament erstellen. Du hast ein einziges Kind und dieses soll auch alles erben. In diesem Fall kannst Du Dir in der Tat ein Testament sparen. Aber tatsächlich sind Familienkonstruktionen in den meisten Fällen leider nicht ganz so einfach, gerade in Zeiten, in denen es immer mehr Patchwork Familien und außergewöhnliche neue Formen des Zusammenlebens gibt.
Ist also die gesetzliche Erbfolge nicht das, was Du Dir für Deinen Nachlass wünschst, dann solltest Du Dich mit den Grundzügen des gesetzlichen Erbrechts und den Möglichkeiten der Testamentsgestaltung beschäftigen. Denn es gibt ein paar Menschen, die man per Gesetz nicht komplett von einer Erbschaft ausschließen kann, das sind die sog. Pflichtteilsberechtigten. Pflichtteilsberechtigt sind im Wesentlichen die eigenen Abkömmlinge, Ehepartner und in mancher Konstellation auch noch die eigenen Eltern. Der Pflichtteil ist immer die Hälfte dessen, was einem Erben als gesetzlichem Erbteil zustehen würde.
Diese gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn Du überhaupt nichts geregelt hast, also insbesondere kein Testament verfasst und keinen Erbvertrag abgeschlossen hast. Man unterscheidet bei den gesetzlichen Erben zwischen den Erben 1. Ordnung, den Erben 2. Ordnung und den Erben 3. Ordnung. Gedanklich kann man die Ordnungen unendlich weiterdenken, jedoch ist dies in den wenigsten Fällen notwendig.
Zu den Erben 1. Ordnung zählt immer der Ehepartner und die eigenen Abkömmlinge, also Kinder, Enkelkinder, Urenkel usw. Ein lebender Abkömmling schließt immer die danach kommenden Abkömmlinge aus. Das bedeutet, dass Deine Enkelkinder erst dann zu Erben werden würden, wenn deren Eltern, also Deine Kinder, vor den Enkeln versterben würden.
Bist Du unverheiratet und kinderlos, dann kommen die Erben 2. Ordnung ins Spiel. Erben zweiter Ordnung sind Deine Eltern und wenn diese nicht mehr leben, deren weitere Abkömmlinge, also Deine Geschwister und im Falle deren früheren Versterbens, deren Kinder, also Deine Nichten und Neffen.
Sind keine Erben 2. Ordnung vorhanden, so geht der Blick zu den Erben 3. Ordnung. Erben 3. Ordnung sind dann Deine Großeltern, und – wenn diese nicht mehr leben – dann deren Abkömmlinge, also Deine Onkel und Tanten bzw. deren Kinder, falls diese auch nicht mehr leben.
Wie Du siehst, spätestens jetzt bekommt man einen Knoten im Gehirn vom Hinterherdenken, daher eine kleine Grafik, um die Erbfolge zu verdeutlichen:

Nun ist die Frage, wer erhält in der gesetzlichen Erbfolge was? Wenn Du ohne Ehevertrag im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft), verheiratet bist, dann erhält Dein Ehepartner immer mindestens die Hälfte Deines Nachlasses. Die weitere Hälfte des Nachlasses geht zu gleichen Teilen an Deine Kinder.
Als Beispiel möchte ich ein Ehepaar mit 3 Kindern heranziehen, von denen jedoch ein Kind bereits selbst verstorben ist. Das verstorbene Kind hat jedoch bereits selbst vor seinem Tod 2 Kinder, also Deine Enkel, in die Welt gesetzt.
In diesem Fall erhält der Ehepartner die Hälfte des Nachlasses, die beiden lebenden Kinder jeweils 1/3 der restlichen Hälfte, also 1/6 der Erbmasse. Die beiden Enkelkinder teilen sich den Anteil des Erbes, der auf das dritte Kind entfallen wäre. Jedes der Enkelkinder würde also in diesem Falle jeweils 1/12 der gesamten Erbmasse erhalten.
Wie man sieht, ist es im Erbrecht üblich, mit Brüchen oder Prozentzahlen zu rechnen. Mathematikfans kommen hier also auf ihre Kosten. Um es für die NICHT-Mathematikfans etwas deutlicher zu machen, hier das Ganze nochmal als grafische Darstellung:

Um nun zu verdeutlichen, wie sich Pflichtteile aus dieser gesetzlichen Erbfolge errechnen, nehmen wir ein klassisches wie klischeehaftes Beispiel:
Wir bleiben bei der vorangegangenen Familiensituation, nur mit der kleinen gedanklichen Änderung, dass der Verstorbene an dieser Stelle zusätzlich zum Ehepartner noch eine Geliebte hatte. Und dieser Geliebten hinterlässt der untreue Familienvater (auf untreue Familienmütter ist das Model selbstverständlich exakt genauso anzuwenden) per Testament sein komplettes Vermögen. Trotz dieses Testaments gehen die Ehefrau und die Kinder an dieser Stelle nicht leer aus. Die Geliebte erhält zwar zunächst den kompletten Nachlass, ist aber verpflichtet, den pflichtteilsberechtigten Angehörigen ihren jeweiligen Pflichtteil auszuzahlen. Jeder der berechtigten Angehörigen erhält nun die Hälfte seines gesetzlichen Anteils, so dass der Geliebten am Ende nur noch die Hälfte der Erbmasse verbleibt.
Zur Berechnung der daraus entstehenden Werte noch einmal die zugehörige grafische Darstellung:

Diese Pflichtteilsregegelungen sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man ein Testament erstellt.
Wenn Du nun Deine Nachfolge per Testament regeln möchtest, dann solltest Du wissen, dass Du grundsätzlich fast alles per Testament regeln kannst, was Du möchtest. An seine Grenzen stößt die sog. Testierfreiheit erst dann, wenn Du mit Deinen Verfügungen Gesetze verletzen oder eklatant gegen die guten Sitten verstoßen würdest.
Im Folgenden ein grober Überblich über die Gestaltungsmöglichkeiten:
- Du machst zum (Allein-)Erben, wen Du willst. (Natürliche oder juristische Personen; NICHT Tiere) Du musst mit dem Erben nicht einmal verwandt sein, es dürfen auch Freunde oder Bekannte zu Erben ernannt werden. Auch müssen Erben nicht volljährig sein.
- Du kannst auch mehre Personen zu Erben einsetzen, diese bilden im Erbfall eine sog. Erbengemeinschaft. Diese Erbengemeinschaft hat dann gemeinsam die Aufgabe, das Erbe auseinander zu setzen. Du kannst dazu auch Anordnungen treffen, wie Du die Verteilung innerhalb der Erbengemeinschaft wünschst.
- Du hast auch die Möglichkeit, eine Erbenreihenfolge festzulegen. Man spricht in diesen Fällen von Vor- und Nacherbschaft. Auch kannst Du festlegen, ob der Vorerbe die Reihenfolge verändern darf und ob er verpflichtet ist, bestimmte Vermögenswerte für den Nacherben im Bestand zu halten.
- Neben der Erbeinsetzung kannst Du auch Vermächtnisse anordnen. Ein Vermächtnis bedeutet, dass der Erbe einzelne Werte aus der Erbmasse an eine bestimmte benannte Person herauszugeben hat. Das Vermächtnis ist ein beliebtes Mittel um sehr persönliche Dinge, zumeist Sammlungen oder Liebhaberstücke an einen Menschen zu vermachen, der diese zu schätzen weiß.
- Du kannst das Erbe auch unter Bedingungen stellen, allerdings sind hier die Grenzen sehr eng, dabei nicht gegen die guten Sitten zu verstoßen. Bedingungen sollten daher sehr sparsam eingesetzt werden.
- Du kannst bestimmen, dass ein Testamentsvollstrecker eingesetzt wird zur Teilung und/oder Verwaltung des Erbes.
- Du kannst festlegen, ob Pflegeleistungen, die jemand für Dich im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit erbringt, entsprechend in Form einer Zuwendung berücksichtigt und entlohnt werden sollen.
- Du kannst natürlich auch mit Deinem Ehepartner ein gemeinsames Testament erstellen und Euch gegenseitig zu Erben einsetzen und beispielsweise die gemeinsamen Kinder als Erben des Letztversterbenden benennen. (Berliner Testament)
- Es gibt auch spezielle Testamentsformen, die dann zur Anwendung kommen, wenn Du einem behinderten Kind Vermögenswerte zukommen lassen möchtest, die möglichst nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden sollen. (Behindertentestament)
- Es gibt auch eine spezielle Testamentsform für Geschiedene, die zwar ihre gemeinsamen Kinder aber auf gar keinen Fall den geschiedenen Partner bedenken möchten bzw. ausschließen möchten, dass der geschiedenen Partner das Vermögen der gemeinsamen minderjährigen Kinder verwaltet. (Geschiedenentestament)
Wie Du siehst, es ist so gut wie alles möglich. Der Rest der Familie wird es uns danken, wenn sie nach dem Tod eines geliebten Menschen, was ja an sich schon schlimm genug ist, sich nicht auch noch wegen der Verteilung von Vermögen auseinandersetzen müssen. Und die Erfahrung zeigt leider, dass in der Regel mindestens einer der Familienmitglieder jeglichen Anstand über Bord wirft, wenn es darum geht, Vermögen abzugreifen gibt. Viel zu viele Familien habe ich schon erlebt, die – statt gemeinsam zu trauern – sich vor Gericht um den letzten Cent zerfleischen, obwohl es so einfach ist, dies zu verhindern.
2. Vorsorgevollmacht
Neben der Erbfolge ist es ebenso wichtig, eine sog. Vorsorgevollmacht zu erstellen. Eine General- und Vorsorgevollmacht – wie sie korrekterweise genannt wird – wird errichtet für den Fall, dass man selbst nicht mehr handlungs- und/oder geschäftsfähig ist. Das bedeutet, dass die Vollmacht sowohl für den Fall genutzt werden kann, in der man nur vorübergehend – vielleicht aufgrund eines Unfalles oder einer Krankheit – nicht handlungsfähig ist, als auch für den Fall, in dem man aufgrund von Alter und/oder Krankheit seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Es geht bei der Vorsorgevollmacht somit um die Regelung rechtlicher Angelegenheiten aller Art, die man damit auf eine andere Person überträgt.
Das Schwierigste bei der Errichtung einer solchen Vollmacht ist sicherlich die Auswahl der richtigen Person. Wie Du vielleicht schon vermutet hast, sollte die bevollmächtigte Person eine absolute Vertrauensperson sein. Und – wenn die Vollmacht auch für das Alter gelten soll – dann ist es sinnvoll, dass die bevollmächtigte Person deutlich jünger ist als man selbst. Da aber bekanntlich auch nicht ein junges Alter davor schützt, dass jemandem etwas passiert, sollte man nicht nur einen Bevollmächtigten bestimmen, sondern immer sofort auch einen Ersatzbevollmächtigten.
Grundsätzlich kann man sowohl einzelne Bevollmächtigte bestellen als auch mehrere. In der Regel benennen Eltern ihre Kinder zu Bevollmächtigten, entweder als gemeinsame Bevollmächtigte oder als Haupt- und Ersatzbevollmächtigte. Die klassische – aber selbstverständlich nicht zwingende – Regelung bei Eheleuten ist in den meisten Fällen die, dass Eheleute sich gegenseitig zu Bevollmächtigten einsetzen und ersatzweise ihre Kinder.
Ob Du einen oder mehrere Bevollmächtigte mit gleichen Rechten einsetzt, ist sicherlich eine persönliche Entscheidung, die in beiden Fällen Vor- und Nachteile haben kann. Wenn Du nur einen Bevollmächtigten hast, der allein entscheidungsbefugt ist, dann bist Du an dieser Stelle voll und ganz darauf angewiesen, dass dieser Bevollmächtigte im Ernstfall gute und richtige Entscheidungen für Dich trifft. Es gibt also insofern kein Korrektiv.
Wenn Du mehrere Bevollmächtigte mit gleicher Befugnis einsetzt, so gewährleistet dies, dass Entscheidungen immer nur von 2 oder mehr Personen zusammen getroffen werden können. Damit sinkt deutlich die Gefahr von schnellen und übereilten Entscheidungen, gleichzeitig erschwert es aber auch dort das Verfahren, wo schnelle Entscheidungen gefragt sind. Und richtig kompliziert wird es dann, wenn die Bevollmächtigten untereinander sich nicht einigen können. Dann kann es passieren, dass wichtige Entscheidungen einfach nicht getroffen werden, weil ein einheitlicher Entschluss unter den Bevollmächtigten nicht zu erwirken ist.
Der klassische Bereich, der von einer Vollmacht umfasst wird, ist die geschäftliche Tätigkeit. Das bedeutet, dass der Bevollmächtigte befugt wird zur außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung im Geschäfts- und Rechtsverkehr. Das heißt, dass der Bevollmächtigte jegliche Art von Verträgen für mich abschließen, durchführen und notfalls gerichtlich durchsetzen kann.
Der nächste große Punkt, den die Vorsorgevollmacht abdeckt, ist der gesundheitliche Bereich. Das bedeutet vom Grundsatz her erst einmal die Gesundheitsfürsorge sowie die Einwilligung in Heilbehandlungen und Pflege. Damit einhergehend ist der Bevollmächtigte natürlich berechtigt, umfassende Auskunft über den Gesundheitszustand des Vertretenen zu erhalten, denn nur auf einer informierten Basis kann der Bevollmächtigte richtige medizinische Entscheidungen treffen. Die Vollmacht ist damit auch das Dokument, mit welchem der Vollmachtgeber seine behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet. Und selbstverständlich ist es auch der Bevollmächtigte, der gegenüber Ärzten und Pflegern das Recht und insbesondere auch die Pflicht hat, die Regelungen einer Patientenverfügung für den Vollmachtgeber durchzusetzen, sollte dies einmal auf Widerstand stoßen.
Hast Du minderjährige Kinder, so kannst Du im Rahmen Deiner Vorsorgevollmacht auch festlegen, wer im Falle Deines Todes bzw. im Falle des Todes aller gesetzlich Sorgeberechtigten, das Sorgerecht für Deine Kinder erhalten soll bzw. wer dieses auf gar keinen Fall bekommen soll. Das Vormundschaftsgericht ist zwar an Festlegungen in Vorsorgevollmachten nicht zwingend gebunden, jedoch werden die Wünsche der Eltern, welche diese in einer Vorsorgevollmacht niedergelegt haben, in der Regel berücksichtigt, soweit nicht gravierende Aspekte dagegensprechen.
Sollte eine Vollmacht aus irgendeinem Grund einmal nicht ausreichen, so kann das Gericht immer auch eine gesetzliche Betreuung anordnen. Viele Menschen erstellen daher eine sogenannte Betreuungsvollmacht. Du kannst im Rahmen Deiner Vorsorgevollmacht aber einfach auch festlegen, dass Du für diesen Fall wünschst, dass der von Dir bevollmächtigte Vertraute auch als gesetzlicher Betreuer seitens des Gerichts eingesetzt werden soll. Damit hast Du die Betreuungsvollmacht mit einem einzigen Satz in Deine Vorsorgevollmacht integriert.
Das Gericht ist auch an diese Entscheidung nicht zwingend gebunden, wird sie jedoch – wenn keine gravierenden Umstände dagegensprechen – in der Regel berücksichtigen.
Eine solche Vollmacht – die im Übrigen auch über den Tod hinaus verfügt werden kann – ist nicht nur eine große Hilfe und Erleichterung für die Familie in dem Fall, wo ein Angehöriger aufgrund von Alter oder Krankheit seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Denn unabhängig vom Alter können wir alle leider jederzeit und überall in eine Situation vorübergehender Geschäftsunfähigkeit geraten. Zu nennen sei dabei zum Beispiel ein Verkehrsunfall mit zeitweiser Bewusstlosigkeit. Ist es nicht gut zu wissen, dass in solchen Fällen jemand vorübergehend in Deinem Sinne für Dich handeln kann?
3. Patientenverfügung
Die dritte Säule einer gelungenen Vorsorge ist die Patientenverfügung. Während die Vorsorgevollmacht im Wesentlichen geschäftliche Belange regeln soll, geht es in der Patientenverfügung einzig und allein um die Regelung von medizinischen Behandlungen. Während zu Beginn der Zeit der Patientenverfügungen zumeist der Satz „ich wünsche keinerlei lebenserhaltenden Maßnahmen“ in dieser oder jener Situation sehr verbreitet war, so hat mittlerweile seit 2016 der Bundesgerichtshof immer wieder sein – ohnehin geltendes – Bestimmtheitsgebot speziell für Patientenverfügungen bekräftigt und die Menschen aufgefordert, genau darzulegen, in welcher Situation sie welche Maßnahmen wünschen und welche ablehnen.
Die Festlegungen in einer Patientenverfügung gelten selbstverständlich immer nur für den Fall, dass Du selbst im Moment der Entscheidung zur Willensbildung und Äußerung nicht mehr, oder vorübergehend nicht, in der Lage bist. Dein eigener in der Situation geäußerter Wille hat ansonsten selbstverständlich Vorrang vor dieser Verfügung.
Tatsächlich gibt es eine – für medizinische Laien – völlig unüberschaubare Anzahl verschiedener Erkrankungen und Verletzungen. Für alle diese vagen Möglichkeiten eigene Regelungen zu treffen, ist völlig unmöglich. Dennoch gibt es verschiedene Arten der Beeinträchtigung, die man von seinen Wünschen her sicherlich unterschiedlich bewerten kann. Man kann die möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Grunde zu 4 Gruppen zusammenfassen. Zu jeder dieser Fallgruppen solltest Du dann im Einzelnen festlegen, welche Maßnahmen Du in diesen Fällen wünschst und welche Du ablehnst.
a) Krankheit / Unfall
Du hast eine Krankheit oder einen Unfall mit realistischer Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens. Wenn Du beispielsweise im Straßenverkehr verunglückst und klar ist, dass keine oder wenige Folgeschäden aus diesem Unfall zurückbleiben, dann möchtest Du vermutlich eine andere Art der Behandlung als vielleicht dann, wenn Du unheilbar krank wärest. Dieselben Entscheidungen würdest Du sicherlich auch dann treffen, wenn Du jetzt gerade eine schlimme Erkrankung hättest, von der Du aber vermutlich keine weitreichenden Folgeschäden zurückbehalten. Es geht also in dieser Fallgruppe um nur vorübergehende Einschränkungen, nicht um dauerhafte. Die meisten Menschen wünschen sich in derartigen Situationen jedwede medizinische Hilfe, was immer sie auch kosten mag.
b) Hirnschädigung
Anders sieht das Ganze vielleicht aus bei einer irreversiblen Gehirnschädigung aufgrund von Krankheit, Unfall, Schlaganfall, oder fortgeschrittenen Hirnabbauprozessen (beispielsweise Demenz). Diese Fallgruppe beschreibt somit alle die Fälle, in denen regelmäßig der Körper noch mehr oder weniger uneingeschränkt funktioniert, die Gehirntätigkeit jedoch so weit eingeschränkt ist, dass man Zusammenhänge nicht mehr erkennen und verstehen kann und dieser Zustand sich auch nicht mehr verbessern wird. Das bedeutet, dass die Schmerzempfindung noch vollständig erhalten ist, Du aber schlimmstenfalls nicht mehr weißt, wer Du bist.
c) Ausfall von Motorik und Artikulation
Deine Hirnfunktion ist unbeeinträchtigt, Du kannst Dich jedoch weder bewegen noch artikulieren (z.B. Locked-In-Syndrom / komplette Lähmung). Diese dritte Fallgruppe beschreibt im Grunde das genaue Gegenteil der vorher geschilderten Fallgruppe. In manchen Fällen ist es gerade Dein Gehirn, welches noch reibungslos funktioniert, die körperlichen Funktionen sind jedoch so weit eingeschränkt, dass Du Dich weder bewegen noch artikulieren kannst und diese Beeinträchtigung einen dauerhaften Zustand darstellt.
d) Sterbeprozess
Du befindest Dich im unmittelbaren Sterbeprozess oder im Endstadium einer unheilbaren tödlich verlaufenden Krankheit, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben und Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde. Während die Fallgruppen 2 und 3 Beeinträchtigungen beschreiben, die nicht unmittelbar zum Tod führen, mit denen man also unter Umständen über Jahre oder Jahrzehnte weiterleben kann, beschreibt die letzte Fallgruppe die Fälle, in denen die Zeit bis zum Tod im Grunde absehbar ist. Es geht also um unheilbare Krankheiten mit tödlichem Verlauf oder um den kompletten körperlichen Verfall im Alter, der ein Weiterleben unmöglich macht.
Maßnahmen
Zu jedem dieser Fallgruppen kannst Du nun in Deiner Patientenverfügung individuell festlegen, welche medizinischen Maßnahmen Du möchtest und welche Du ablehnst. Im Folgenden findest Du eine Liste mit den gängigen Maßnahmen, über die Du in einer Patientenverfügung entscheiden solltest.
- Maßnahmen der Widerbelebung
- Intensivmedizin
- Dialyse
- Organtransplantationen
- Bluttransfusionen / Blutbestandteile
- künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr
- Beatmung
- Kreislaufstabilisierende Medikamente
- neue (evtl. unerprobte) medizinische Verfahren
- Schmerzmittel, auch wenn diese evtl. mein Leben verkürzen
- Bewusstseinsdämpfende Mittel, auch wenn diese evtl. mein Leben verkürzen
- Behandlung im Ausland, falls diese erfolgversprechender ist als im Inland
- Kostenintensive Behandlungen, auch wenn ich mich dafür verschulden müsste
Neben den verschiedenen Behandlungswünschen kannst Du im Rahmen einer Patientenverfügung auch anordnen, was Du Dir für die Zeit nach Deinem Tod wünschst. Du kannst z.B. festlegen, ob Deine Organe nach dem Tod gespendet werden dürfen oder nicht.
Des Weiteren kannst Du in Deiner Patientenverfügung auch Bestattungswünsche festhalten. Verfügst Du über eine Sterbegeldversicherung oder hast anderweitig bereits Regelungen getroffen (Familiengrab o.ä.), so solltest Du dies bei den Bestattungswünschen erwähnen.
Mit einer solchen Patientenverfügung sorgst Du nicht nur dafür, dass Dein Lebensende genauso gestaltet wird, wie Du es Dir wünscht, sondern unter Umständen befreist Du damit Deine Familie von der Last, entscheiden zu müssen, wann und in welchen Fällen Dein Leben enden soll. Jeder, der einmal erlebt hat, wie es ist, wenn Menschen sterben möchten, man sie aber mangels entsprechender Verfügung nicht gehen lässt, weiß, wie wichtig eine Patientenverfügung ist. Und jeder, der einmal über das Leben oder eben das Lebensende eines anderen entscheiden musste, weiß, welche unglaubliche Last eine Patientenverfügung damit den Angehörigen nimmt.
Und wenn Dir jetzt bei dem Gedanken daran, was diese Vorsorge möglicherweise kosten mag, ganz schwindelig wird, dann seien an dieser Stelle zwei Dinge gesagt:
Die beschriebenen Maßnahmen kosten deutlich weniger, als Du glaubst. Unter dem folgenden Link findest Du eine detaillierte Beschreibung, welche Formvorschriften gelten und mit welchen Kosten Du genau rechnen musst.
Und des Weiteren sollte Dir klar sein, dass die Kosten für eine erbrechtliche Auseinandersetzung, wenn man denn dann seine Nachfolge doch nicht geregelt hat, die Kosten für vernünftige Vorsorge bei weitem übersteigen. Ich kann deutlich sagen, dass ich als Anwältin mit streitigen Erbauseinandersetzungen erheblich mehr Umsatz mache als mit der Erstellung von Vorsorgedokumenten. Aber wenn ich das Leid sehe, was mit derartigen Auseinandersetzungen regelmäßig einher geht, dann würde ich auf den Umsatz manch einer Erbauseinandersetzung gerne verzichten.
Aus all den genannten Gründen beende ich diesen Bericht mit dem dringenden Appell, bei Deiner Finanzplanung auch Deinen eigenen Tod mit zu berücksichtigen, auch wenn der Gedanke uns alle – und da schließe ich mich nicht aus – manchmal sehr ängstigt. Es lebt sich auf jeden Fall ein bisschen leichter, wenn alle Vorkehrungen für den eigenen Tod getroffen sind.
Melanie van Luijn
Rechtsanwältin im Erbrecht
Gut zu wissen, dass ein lebender Abkömmling immer die danach kommenden Abkömmlinge ausschließt. Ich bin an einer schweren Krankheit erkrankt und es ist leider ungewiss, ob ich wieder gesund werde. Da ich mich für meine Familie um die Todesfallvorsorge kümmern will, melde ich mich die Tage bei einem professionellen Anwalt.
https://www.friedl-holler.at/
Lieber Mario,
es tut mir Leid zu hören, dass es Dir so schlecht geht. Ich hoffe für Dich und Deine Familie, dass es doch eine Chance für Dich gibt wieder gesund zu werden.
Herzliche Grüße
Ludwig
Vielen Dank für die nähere Erläuterung der Bedeutung der gesetzlichen Erbfolge. Schaut man sich an, was sie im Detail bedeutet, so ist es für viele Personen sinnvoll, sich rechtzeitig um ein Testament oder um einen Erbvertrag zu kümmern. Persönliche Wünsche für die eigenen Hinterlassenschaften nach dem Tod können schließlich schnell nicht mehr dem entsprechen, was die gesetzliche
Erbfolge im individuellen Fall bedeutet. Daher ist es ratsam, sich die Zeit zu nehmen, einen Rechtsanwalt für Erbrecht aufzusuchen, wenn man Wert auf ein eigenes Testament legt.
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