Beim Thema Rebalancing freue ich mich sehr über Eure Meinungen, denn ich habe mir selbst noch keine fertige Meinung dazu gebildet. Ich schreibe diesen Artikel aus gegebenem Anlass, denn ich habe gerade erst eine etwas größere Rebalancing-Maßnahme in meinem Portfolio durchgeführt und bin mir noch immer nicht ganz sicher ob das jetzt der Weißheit letzter Schluss war oder nicht.
Grundsätzlich – was bedeutet Rebalancing?
Eigentlich ist das recht intuitiv zu verstehen. Wenn man sich im Verlauf seiner Investitionstätigkeit eine Strategie überlegt, dann legt man ja meist auch eine bestimmte Risikoallokation fest. Es könnte also beispielsweise sein, dass man sich überlegt man möchte 40% in einer risikolosen Anlage haben – z.B. Tagesgeld – und 60% in riskanteren und dadurch höher verzinsten Anlagen – z.B. Aktien.

Wenn es jetzt beispielsweise eine Krise gibt und in Folge dessen der Anteil der Aktien schrumpt, könnte die Verteilung auf einmal so aussehen.

Jetzt kommt das Rebalancing zum Tragen, denn wir sollten unserer Strategie treu bleiben und wieder die ursprüngliche Verteilung anstreben. Das würde im konkreten Beispiel bedeuten, dass wir etwas vom Tagesgeld weg nehmen und in Unternehmen investieren. Wenn sich aber nun der Markt wieder erholt hat, wird die Verteilung in die andere Richtung ausschlagen. Die Kurse sind auf Vorkrisenniveau und wir haben auf einmal beispielsweise diese Verteilung.

Und jetzt haben wir den Punkt erreicht, bei dem ich ein Rebalancing für extrem wichtig halte, denn jetzt haben wir unsere ursprüngliche Risikoallokation verlassen und sind deutlich riskanter unterwegs. 75% unseres Vermögens steckt nun in Aktien und ist demnach relativ riskant angelegt. Wir sollten also wieder Anteile verkaufen und die realisierten Gewinne auf das Tagesgeldkonto legen.
In Bezug auf die risikolosen Anlagen, im Gegensatz zur Anlage in Unternehmen, habe ich kein Rebalancing vorgenommen. Weil ich als Familienvater deutlich mehr in risikolose Anlagen stecke als ich an der Börse investiere, habe ich hier kein “Problem”.
Was ich aber gemacht habe ist, dass ich innerhalb meines Aktien-Depots gerebalanced habe. Auch hier kann es ja passieren, dass einzelne Titel sehr gut laufen und „Überhand im Depot“ nehmen. Um es konkret zu machen, ich habe genau im April letzten Jahres Eckert & Ziegler Anteile gekauft und habe vor ca. 5 Jahren einige Anteile des iShares Automation & Robotics ETF gekauft. Anfänglich haben diese beiden Postionen etwa 3-4% meines Depots ausgemacht. Da beide Titel aber so enorm gut gelaufen sind, hatten sie Stand August zusammen fast 30% meines Depotwertes eingenommen – jeweils fast 15%. Das ist natürlich nicht ad hoc passiert und ich habe diese Entwicklung mit Freude beobachtet, aber ich bin auch mit der Zeit etwas unruhig geworden. Ein Unternehmen wie Eckert & Ziegler steht super solide da und verfügt über eine Vielzahl an guten und zukunftsweisenden Produkten. Dennoch ist Eckert und Ziegler noch immer ein Small Cap und es sind viele Erwartungen eingepreist, die sich auch nicht erfüllen könnten. Eckert und Ziegler war seit dem Kauf um 275% gestiegen. Für ein Unternehmen, dass sich bereits im SDax befindet ist das schon eine enorme Steigerung in einem Jahr.
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Beim iShares Automation & Robotics sieht die Sache etwas weniger kritisch aus, aber auch hier muss man ganz klar sagen, dass eine derartige Überbewertung dieses Sektors fast schon als Sektorwette betrachtet werden kann. Da fast alle Unternehmen in diesem ETF auch Small oder Medium Caps sind, kann es auch hier schnell mal wieder bergab gehen.
Kurzum: Mir war es wichtig wieder eine Balance in meinem Depot herzustellen, denn von meiner ursprünglich angestrebten Verteilung 60% in breit gestreute ETFs und 40% in Einzeltitel habe ich mich durch die satten Kursgewinne weit entfernt. Selbst nach meiner Anpassung bin ich immer noch nicht wieder dort angekommen.
Warum fällt das Rebalancing aber nun so schwer?
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe:
- Es gibt die beiden wohl bekannten psychologischen Phänomene – Gewinne laufen lassen, Verluste minimieren.
In der Corona-Krise hat man es wieder gesehen, die Leute haben große Ängste vor Verlusten und versuchen diese durch Verkäufe im Krisenfall zu minimieren. Leider ist das überhaupt nicht sinnvoll – zumindest als Langfristanleger. Schöner Weise bin ich hier irgendwie immun. Ich habe in der Krise gar nichts verkauft – ganz im Gegenteil ich habe gekauft und es war das Klügste was ich in diesem Kontext tun konnte.
Beim Thema Gewinne laufen lassen, bin ich aber sehr wohl anfällig. Hat man so eine Gewinneraktie wie Eckert & Ziegler im Portfolio, die sich verdoppelt, verdreifacht, vervierfacht, dann fällt es enorm schwer diese zu verkaufen oder zumindest zu reduzieren. Dies fällt deswegen so schwer, weil man die Hoffnung hat, dass es immer so weiter geht. Logischer Weise wird es aber mit jedem Prozentpunkt, den es nach oben geht, unwahrscheinlicher, dass es genau so weiter geht und es steigt das Risiko, dass es mal wieder einen ganzen Satz nach unten geht. Multibagger sind fast immer getrieben von Erwartungen. Deswegen sind deren Kurse aber auch sehr sensibel. Eine Gewinnwarnung, eine Umsatzkorrektur oder ähnliches kann hier zu großen Abwärtsbewegungen führen. Insofern ist es absolut richtig und wichtig hier im Depot auszugeleichen. Ich habe natürlich nicht alle Anteile verkauft, den Bestand aber deutlich reduziert. Dabei kommen wir aber zum zweiten Hindernisgrund. - Steuern. Natürlich müssen wir die Kursgewinne versteuern und da meine 801 Euro Pauschbetrag schon längst aufgebraucht sind, fällt der volle Steuersatz an. Das tut natürlich weh und sorgt dafür, dass nach der Rebalancingaktion erstmal etwas weniger Geld im Depot steckt. Der Gesamtwert wurde dezimiert durch Verkaufs- und Kaufgebühren und die Steuern. Bei einer größeren Umschichtung kann das in die tausende Euro gehen und das tut weh.
Sollte man aber deswegen einfach alles lassen wie es ist?
Nun ich habe das lange hin und her überlegt, denke aber es war schon nötig zu rebalancen. Was nützt es mir 1000€ Steuern zu sparen indem ich die Postionen einfach laufen lasse, wenn die Gefahr besteht 30% des Depotwertes verlieren zu können? Wie anfangs erwähnt, bin ich mir hier immernoch nicht komplett sicher. Es gibt Leute die sagen man solle alles einfach liegen lassen und man würde damit besser fahren.
Regression zu Mitte
Es gibt aber auch Studien, die ganz klar belegen, dass bei langen Anlagehorizonten das Rebalancing ganz klar zu einer besseren Performance führt, da man das Depot stabiler macht. Dies liegt vor allem am Effekt der Regression zur Mitte. Klingt kompliziert – ist es aber gar nicht. Die Regression zur Mitte beschreibt kurz heruntergebrochen eigentlich nur zwei Effekte:
- Unternehmen, die in der Vergangenheit sehr gut gelaufen sind, tendieren dazu in Zukunft schlechter zu laufen.
- Unternehmen, die in der Vergangenheit eher schlecht gelaufen sind, tendieren dazu in Zukunft besser zu laufen.
Was bedeutet das aber nun?
Laut dieser Theorie ist es sehr sinnvoll aus bereits gut gelaufenen Titeln Geld zu entnehmen und in weniger gut gelaufene oder konservativere Titel zu stecken, denn die gut gelaufenen Titel werden an Geschwindigkeit verlieren oder sogar in Zukunft Buchwertverluste machen.
Wenn Euch diese Thematik interessiert schaut Euch mal diesen Artikel auf Investopedia und diesen auf evidencebasedinvestingllc an. Ein ganz guter Artikel dazu ist auch ier auf Investopedie zu finden.
Was habe ich nun gemacht und weiter vor?
Ich habe, da mich das jetzt schon seit Monaten beschäfftigt hat, nun die beiden oben genannten „Gewinnerpositionen“ reduziert. Dennoch sind beide Positionen noch immer unter den Top 3 Positionen, aber sie nehmen nun nicht mehr ganz so viel Platz ein. Trotzdem kann ich weiter an Kursgewinnen partizipieren – nur eben nicht mehr im selben Ausmaß.
Die Gewinne habe ich verteilt auf Merck KGaA, Microsoft und ETFs auf den MSCI World und auf den MSCI Emerging Markets. Ich denke dadurch das Portfolio etwas ausgeglichen und damit risikoaverser gestaltet zu haben. Vermutlich wird die kurzfristige Rendite dadurch etwas sinken, ich habe aber die Hoffnung langfristig Volatilität aus dem Portfolio genommen zu haben.
Von meiner angestrebten Allocoation bin ich noch weit entfernt. Ich möchte die restlichen Schritte aber durch Neuinvestments gehen – das bedeutet ich werde in den kommenden Monaten nicht in Einzeltitel, sondern in die beiden ETFs investieren. Dadurch steigt deren Anteil und die Gesamtstreuung des Portfolios nach und nach an.
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Moin,
solange meine Sparraten noch einen messbaren Anteil am Depotwert haben mache ich das Rebalancing Quartalsweise über meine Sparpläne. Also zum Quartalsende passe ich meine Sparpläne so an, dass die Unterschiede zwischen soll und ist ausgeglichen werden. Das habe ich einmal in Excel aufgesetzt, so dass ich nur die aktuellen Werte der Positionen eintrage und ich dann meine neuen Sparplanraten sehe. In ein paar Jahren, wenn die Sparraten dann zu klein werden um die unterschiedlichen Wertentwicklungen auszugleichen werde ich mir vermutlich einen oder zwei feste Termine setzen, an denen ich das Rebalancing dann in gewissen Toleranzbändern durchführe. Eventuell baue ich mir noch zusätzliche Trigger ein um opportunistisch auf bestimmte Marktsituationen zu reagieren, je nachdem wie viel Lust ich dann noch auf Finanzen habe 🙂
Ich habe allerdings auch keine sorgsam ausgewählten Einzelaktien, sondern ein Welt-ETF-Depot mit fester Soll-Gewichtung und ein Dividenden-Depot mit fester Sektorenaufteilung (und auch wieder hauptsächlich mit ETF gefüllt), so dass die “emotionale Bindung” an Gewinner nicht ganz so ausgeprägt ist.